Die Session 2020/2021 nähert sich ihrem Abschluss. Doch mit Feiern war nicht viel. Unser Vereinsmitglied Ede hat herausgefunden, dass wir nicht die ersten sind, die dieses Schicksal erleiden. Doch lest selbst:
So wird es später einmal in den Annalen stehen. Für die meisten Kölner eine geradezu traumatische Erfahrung! Und tatsächlich hat es das sehr lange nicht gegeben, das letzte Mal während des 2. Weltkrieges und der unmittelbar darauffolgenden Jahre. Krieg war auch in den Jahrhunderten davor der häufigste Grund, wenn der öffentliche Karneval in Köln mal ausfiel, aber nicht der einzige. So musste 1757 wegen mehrerer vorangegangener Erdbeben der Karneval abgesagt werden.
Auch die Besetzung Kölns durch die französischen Revolutionstruppen 1794 hatte für den Karneval weitreichende Folgen, sahen doch die Revolutionäre im Karneval vornehmlich eine kirchliche Veranstaltung, die es unbedingt zu unterbinden galt. Den Kölnern ihren Karneval zu verbieten, musste natürlich scheitern, aber was die französischen Behörden wohl besonders irritierte, war die Tatsache, dass gerade auch die französischen Soldaten zunehmend Gefallen am jecken Treiben fanden. So wurde ab 1801 der Straßenkarneval wieder erlaubt, allerdings mit einer weitreichenden Einschränkung: Wer in der Öffentlichkeit verkleidet feiern wollte, musste eine Maskensteuer zahlen, bedeutete, man hatte sich unter Angabe von Namen und Anschrift sowie der Beschreibung des Kostüms registrieren zu lassen und erhielt dann eine Maskenkarte, die an den Karnevalstagen mitzuführen war. Der dafür zu zahlende Betrag floss immerhin in die Kasse der Armenverwaltung, der Vorgängerin des heutigen Sozialamtes.
Besonders zu leiden hatte der öffentliche Karneval zwischen 1830 und den1860er Jahren. Zum einen fürchtete Berlin und der preußische König, das egalisierende karnevalistische Treiben fördere die als staatsgefährdend angesehenen Demokratiebestrebungen in Preußen. Die Folge waren immer wieder Verbote oder Absagen des Festordnenden Comites, um den behördlichen Bespitzelungen zu entgehen.
Andererseits führte in Köln die Frage, wie politisch der Karneval denn sein dürfe, zum Streit, schließlich sogar zur zeitweisen Spaltung des Festordnenden Comites und damit 1845 zu einem bisher einmaligen Kuriosum: zwei Rosenmontagszügen.
Zwar genoss der Karneval in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Berlin immer größeres Ansehen, aber alle Schreiben und Bitten waren vergeblich, als Reichskanzler Otto v. Bismarck 1887 die Reichstagswahlen ausgerechnet auf den Rosenmontag legte. Musste aber deshalb der Zug ausfallen? Nein, es wurde der bisher einzige Rosenmontagszug, der trotz kirchlicher Bedenken bereits am Karnevalssonntag durch die Kölner Altstadt zog!
Noch prekärer war die Lage drei Jahre später, als nach dem Tod der auch in Köln recht beliebten Kaiserin Augusta eine allgemeine Staatstrauer angeordnet wurde, deren Ende genau auf den Aschermittwoch fiel! Die lokalen Behörden erklärten, der Rosenmontagszug sei zwar offiziell nicht verboten, aber man erwarte aus Gründen der Pietät die Absage! Pietät, damit kannte man sich aus in Köln, und so setzte das Festkomitee einen Brief an den Kaiser auf, in dem allergnädigst auf die erheblichen finanziellen Einbußen hingewiesen wurde, die eine Absage des Zuges für zahlreiche Kölner Geschäftsleute zur Folge gehabt hätte; den Rosenmontagszug ausfallen zu lassen, könne also keineswegs im Sinne der verstorbenen Kaiserin sein! War es dann auch weder für sie, noch für ihren mittlerweile regierenden Enkel, Kaiser Wilhelm II., der acht Tage vor Rosenmontag mitteilen ließ, dass er nichts gegen einen Rosenmontagszug einzuwenden habe.
Und wenn in diesem Corona-Jahr 2021 auch der gesamte Karneval abgesagt worden ist, eines gibt es doch: das Dreigestirn, auf das selbst der ausgefallene Karneval nicht verzichten zu können scheint. Auch das war nicht immer so.
Trotz des enormen finanziellen und zeitlichen Aufwands gibt es heute offensichtlich ausreichend viele Kandidaten und es gilt bereits als Tradition, das neue Dreigestirn schon im Sommer bekanntzugeben, bevor es am 11. im 11. offiziell designiert und Anfang Januar schließlich proklamiert wird, um dann bis Aschermittwoch die Narren zu regieren.
Diese zeitliche Abfolge hat sich allerdings erst in letzten Jahrzehnten so entwickelt, lange Zeit war es gar nicht so einfach, geeignete Personen zu finden, die auch bereit waren, die Hauptrollen zu übernehmen. Noch 1951 wurde die Jungfrau erst so spät im Januar gefunden, dass bei den ersten Auftritten die Tochter des Bauern als Ersatzjungfrau einspringen musste. Besonders eng war es 1912, als der Prinz erst am Karnevalsfreitag, Bauer und Jungfrau sogar erst am Karnevalssamstag besetzt werden konnten. Und bereits 1899 beklagte sich der Präsident der Großen K.G., mal gebe der Vater seine Zustimmung nicht, mal die Mutter, und hätten beide nichts einzuwenden, dann wolle der „blasierte Sohn“ nicht! Aber immerhin, letztlich konnten die „drei Hauptfiguren“, wie das Dreigestirn lange genannt wurde, immer besetzt werden, denn ein Kölner Karneval ohne Prinz, Bauer oder Jungfrau ist ja schließlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Allerdings erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, denn erst ab 1883 bilden Prinz, Bauer und Jungfrau gemeinsam das Trifolium (Kleeblatt) oder Dreigestirn, wie wir es kennen. Während der Prinz ein Kind der Karnevalsreform von 1823 ist und in diesem Jahr erstmals auf dem ebenfalls neu inszenierten Rosenmontagszug in Erscheinung trat, sind Bauer und Jungfrau altbekannte Symbole für die Unabhängigkeit und Wehrkraft des alten reichsstädtischen Köln, romantische Erinnerungen an die gute alte Zeit, wo man niemand anderem als dem Kaiser untertan war. In dieser Funktion fanden Bauer und Jungfrau Eingang in den Rosenmontagszug, anfangs aber nur sporadisch, bis sie den Kölnern unverzichtbar erschienen und schließlich mit dem Prinzen eine untrennbare Einheit bildeten. Das brachte den Prinzen immerhin um seine langjährige Verlobte, die Prinzessin Venetia, die seit 1824 immer wieder an seiner Seite am Rosenmontagszug teilgenommen hatte, sich dann aber – von Bauer und Jungfrau in der Gunst der Kölner überholt – nach Düsseldorf zurückziehen durfte.
Aber auch den Prinzen suchen wir während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in manchem Jahr vergeblich. Bereits 1825 ist er offiziell auf Gegenbesuch bei Prinzesin Venetia in Italien und fehlt daher im Kölner Rosenmontagszug, der in diesem Jahr immerhin erst zum dritten Mal stattfand.
Bis zum 2. Weltkrieg war übrigens der Neumarkt der traditionelle Aufstellungsplatz und Startpunkt des Rosenmontagszugs, obwohl der Platz sich bald als eigentlich zu klein für den immer größer werdenden Zug erwies. Da der Zugweg traditionell so gewählt war, daß er sich an der Ecke Hohe Straße / Obenmarspforten kreuzte, hatte die zunehmende Länge des Rosenmontagszuges außerdem die unangenehme Folge, dass sich die Spitze des Zuges der Stelle schon wieder näherte, wenn die letzten Gruppen sie noch nicht passiert hatten. Die Gruppen liefen ineinander und verursachten ein riesiges Durcheinander. Nun hätte man natürlich den Zugweg verlegen können, griff aber zu einem anderen Mittel, indem man den Zug auf dem Heumarkt eine halbstündige Pause einlegen ließ, bis alle Wagen den Knotenpunkt passiert hatten. Verfügt der Zugleiter heute über Sprechfunk, um den Zug entsprechend zu dirigieren, wurden Nachrichten damals durch Meldereiter überbracht, die dann auf den Straßen parallel zum Zugweg nach vorne oder hinten galoppierten.
Überhaupt muss man sich vor Augen halten, dass der Rosenmontagszug lange ohne motorisierte Zugmaschinen auskommen musste, alle Wagen vielmehr mit Pferden bespannt waren. Hätten damals die gleichen Auflagen gegolten, wie der TÜV sie heute für die Wagen des Rosenmontagszugs anwendet, hätte so mancher gar nicht teilnehmen dürfen. Als die Straßenbahnen 1901 elektrifiziert und Oberleitungen angebracht wurden, begrenzte das Festkomitee aus Sicherheitsgründen die Gesamtwagenhöhe auf 6,50 Meter, nicht ohne erhebliche Widerstände im eigenen Lager, denn einige Mitglieder bezweifelten ernsthaft, ob bei dieser geringen Höhe die Schönheit des Zuges weiterhin überhaupt noch zu gewährleisten sei. Dabei waren in der Kölner Innenstadt die Oberleitungen schon bis zu 1,50 Meter höher angebracht als in jeder anderen Stadt!
Dass man dabei gerne auf die Schlachtlärm erprobten Rösser des Deutzer Kürassierregiments zurückgriff, obwohl man das preußische Militär doch sonst so gerne persiflierte, und sich gleich auch die mit den Pferden vertrauten Kutscher und Reiter auslieh, scheint da mehr als verständlich! Für die Soldaten war das sicher eine willkommene Abwechslung, 1904 erhielten sie zudem eine kleine Belohnung in Form von zwei Flaschen Wein. Die hätte man Ihnen nur besser nach dem Zug gegeben, so konnte man sich immerhin an den zahlreichen preußischen Soldaten erfreuen, die unterwegs betrunken aus dem Sattel rutschten!
In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg waren Sittenlosigkeit und übermäßiger Alkoholkonsum insbesondere der Zugteilnehmer bei den Verantwortlichen ein ausgemachtes Übel. Immer wieder wurden die Teilnehmer vor Beginn des Zuges von den Festkomiteepräsidenten ermahnt, doch bitte „einen nüchternen und gediegenen Eindruck“ zu machen, nicht von den fahrenden Wagen zuspringen und vor allem den Kutschern keinen Alkohol aufzunötigen! Genutzt zu haben scheint es wenig, noch beim letzten Rosenmontagszug vor dem Weltkrieg 1914 lautet einer der Kritikpunkte, dass viele der Teilnehmer betrunken gewesen seien.
Besonders zwiespältig wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts die Frage diskutiert, ob der Rosenmontag schulfrei sein sollte oder nicht. Seit 1910 endete an den Kölner Volksschulen der Unterricht am Rosenmontag immerhin um 10.00 Uhr. Als sich Ende der 1920er Jahre erstmals mangelnder Nachwuchs bei der Jugend bemerkbar machte, wurde das Thema 1930 wieder aufgegriffen, ohne dass sich die Verantwortlichen aber in der Sache einigen konnten, und in weiser Voraussicht die Entscheidung einem Fachmann überließen, nämlich dem Prinzen Karneval dieses Jahres. Der entschied allerdings anders, als die meisten es wohl vermutet hätten: die Schüler sollten lieber weiter in die Schule gehen, der Karneval sei schließlich eine Angelegenheit für Erwachsene!
Bleibt noch von dem Prinzen Karneval des Jahres 1890 zu berichten, der sich anlässlich seiner Proklamation auch als Dichter und Sänger hervorgetan haben soll, mit folgendem Titel: „Die Influenza is futsch!“ Und da schließt sich doch der Kreis, wenn wir in einem Jahr gemeinsam singen dürfen: „Die Corona is futsch!“
Coellen Alaaf!
VvP Alaaf!
Ede Tandetzki